Samenfest – eine Begriffserklärung

26.02.2021Saatgut-Lexikon

Für Bio-Gärtnerinnen und Bio-Gärtner, egal ob klein auf dem Balkon oder groß auf dem Acker, ist Samenfest ein wichtiger Begriff.

Samenfeste Sorten werden durch klassische Kreuzung und Selektion auf die gewünschten Merkmale hin über mehrere Generationen gezüchtet. Die Nachkommen dieser Sorten sind fruchtbar und tragen die Sortenmerkmale auch in den nächsten Generationen. Das Saatgut einer samenfesten Sorte kann ohne Probleme im eigenen Garten gewonnen und im nächsten Jahr wieder angebaut werden.

So ist über Jahrtausende die Vielfalt unserer Kulturpflanzen entstanden. Ein Beispiel für die Zunahme der Vielfalt durch gärtnerische Pflanzenzüchtung ist die Kohlart Brassica oleracea: Weißkraut, Rotkohl, Kohlrabi, Brokkoli, Rosenkohl und Grünkohl gehen auf eine einzige Wildart zurück. Durch die unterschiedliche Nutzung und Auslese verschiedener Teile der Pflanze – Blatt, Stamm, Knospe – entstanden diese verschiedenen Kohlgemüsearten zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten.

 

Der Gegensatz zu samenfesten Sorten sind Hybridsorten. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Formen ist, dass Hybride nicht nachbaufähig sind, da die Eigenschaften in kommenden Generationen stark aufspalten oder die Pflanzen gar ihre Fruchtbarkeit verloren haben. Teilweise wird sogar im Labor künstlich eine Sterilität bei den männlichen Blüten herbeigeführt, die sogenannten CMS-Hybriden. Daraus folgt, dass Hybridsorten nur einmal gesät werden können und Gärtner_innen kein Saatgut für eine neue Aussaat gewinnen können, sondern gezwungen sind, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen.

Die Hybridzüchtung ist in der konventionellen Pflanzenzüchtung eine wichtige Methode. Denn diese orientiert sich zu einem großen Teil am industriellen Erwerbsgartenbau, wo Höchsterträge, maschinelle Beerntbarkeit sowie Transport- und Lagerfähigkeit der Produkte im Vordergrund stehen. Eine Hybridisierung geschieht dadurch, dass die einzelnen Elterngenerationen so lange mit sich selbst gekreuzt werden, bis diese homogene Gene aufweisen. Dann werden zwei Elternlinien mit den gewünschten Eigenschaften miteinander gekreuzt. Ergebnis ist die Hybridsorte, die F1-Generation. Hybridsorten können schnell am Kürzel F1 nach dem Sortennamen erkannt werden.

Warum samenfeste Öko-Sorten?

Die Vielfalt, der gute Geschmack und die Angepasstheit an den jeweiligen Standort bleiben bei den modernen Hybridsorten jedoch oft auf der Strecke. Die restriktiven Bestimmungen der Saatgutgesetze haben zusätzlich stark zum Verschwinden der Sortenvielfalt beigetragen. Es dürfen gesetzlich nur solche Sorten als Saatgut gehandelt werden, die ein strenges behördliches Zulassungsverfahren durchlaufen haben.

Dadurch sind in den letzten Jahren hunderte für den Haus- und Naturgarten relevante samenfeste Sorten zugunsten von Hochleistungs- und Hybridsorten verschwunden. Die Entwicklung unserer Kulturpflanzen ist aus der Hand der Gärtner_innen in das Management großer Saatgutfirmen übergegangen, wo einseitige Profitinteressen im Vordergrund stehen.

Zusätzlich entsteht eine folgenschwere Abhängigkeit der Gärtner_innen, die immer wieder neues Saatgut von den wenigen, marktbeherrschenden Konzernen kaufen müssen. Besonders für Kleinbetriebe und Selbstversorger_innen weltweit ist dies oftmals eine existenzbedrohende Situation. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, lautet das Motto der Bingenheimer Saatgut AG: Sorten sind Kulturgut! Aus unserer Sicht sind Sorten das kulturelle Erbe der Menschheit. Sie sollten, ob altbewährt oder neu gezüchtet, von der Allgemeinheit nutzbar sein. Daher darf es keinen privatwirtschaftlichen Besitz an Sorten geben,  weder durch Patentschutz noch durch sonstige gesetzliche Regelungen.



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