Hintergrundinformationen
- Was bedeutet eigentlich Hybridzüchtung?
Die Hybridzüchtung ist die einzige Zuchtmethode, bei der der Heterosiseffekt (Darunter versteht man die Mehrleistung der Tochtergeneration gegenüber dem Mittel der beiden Eltern) genutzt werden kann. Eine Hybridisierung geschieht dadurch, dass die einzelnen Elternlinien so lange mit sich selbst gekreuzt werden, bis diese homogene Gene aufweisen. Dann werden zwei Elternlinien mit den gewünschten Eigenschaften miteinander gekreuzt. Ergebnis ist die Hybridsorte, die F1-Generation. Hybridsorten können schnell am Kürzel F1 nach dem Sortennamen erkannt werden.
- Welches Problem besteht bei der Hybridzüchtung?
Sorten, die aus der Hybridzüchtung hervorgehen, bieten zwar einige ökonomische Vorteile, wie z. B. höhere Erträge, gleichmäßigeres Abreifen der Kulturen oder eine größere Homogenität der Pflanzen und Früchte; jedoch können diese positiven genetischen Eigenschaften nicht stabil auf die nachfolgenden Pflanzengenerationen übertragen werden. Die eigene Ernte ist somit nicht als Saatgut für die nächste Aussaat geeignet. Hier entsteht eine folgenschwere Abhängigkeit der Landwirt:innen, die immer wieder neues Saatgut von den wenigen, marktbeherrschenden Konzernen kaufen müssen. Besonders für Kleinbäuer:innen und Selbstversorger:innen weltweit ist dies oftmals eine existenzbedrohende Situation.
Nicht nur die Souveränität der Landwirt:innen wird eingeschränkt, auch die Sortenvielfalt nimmt immer stärker ab. Im Handel kommt es zu einer Konzentration auf einige wenige Hauptkulturen. Ein Sortenschutz dieser Sorten, beispielsweise durch Patente, macht den Saatguthandel zu einem lukrativen Geschäft: Mehr als die Hälfte des weltweiten Saatgutmarktes wird heute von nur zwei Konzernen beherrscht. Diese bestimmen damit letztlich auch, welche Gemüsesorten heute und künftig auf unseren Tellern landen.
- Was verstehen wir unter Biotechnologie?
Unter den Begriff „Biotechnologie“ fallen unter anderem auch die Methoden der neuen Gentechnik. Zum Beispiel Tomate und Salat gehören zu den Kulturen, die bereits mit neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas verändert werden. Pflanzensorten, die mit neuer Gentechnik entwickelt werden, sind Teil eines industriellen Pflanzenproduktionssystems, dessen hohe soziale und ökologische Kosten oftmals ausgeblendet werden. Trotz eines klaren Urteils des Europäischen Gerichtshofs (Juli 2018), das dies verlangt, wird derzeit darum gerungen, ob die neuen Gentechnik-Pflanzen weiterhin unter dem EU-Gentechnikrecht reguliert werden müssen oder nicht. Gentechnik-Befürworter:innen möchten das Recht so ändern, dass die neuen Verfahren von der Regulierung ausgenommen werden. Damit kämen die Gentechnik-Pflanzen jedoch ohne Zulassungsverfahren, Risikoprüfung und Kennzeichnung auf den Markt. Dies würde die gentechnikfreie Saatguterzeugung ganz grundsätzlich bedrohen: Verunreinigungen könnten unkontrollierbar um sich greifen. Wir setzen uns daher für eine Beibehaltung der Regulierung ein!
Informieren Sie sich weiter unter: www.ig-saatgut.de
CMS-Hybride sind ebenfalls eine Form der Biotechnologie. Wie weiter oben unter „Hybridzüchtung“ erklärt, entstehen Hybridsorten durch die Kreuzung zweier homogener Inzuchtlinien. Dabei ist es notwendig sicherzustellen, dass sich keine dieser beiden Elternlinien selbst befruchtet. In der Praxis wird dies unter anderem dadurch gewährleistet, dass die Züchterinnen und Züchter bei einer Elternlinie die Staubbeutel, in denen sich die männlichen Samen befinden, entfernen. Diese Methodik ist sehr aufwändig. Um die manuelle Sterilisation der Elternlinien vermeiden zu können, wird die beispielweise bei Rettich und Sonnenblumen natürlicherweise vorkommende und erbliche männliche Sterilität (cytoplasmatic male sterility, CMS) auf andere Arten, z.B. Kohl, übertragen.
In diesem Prozess werden zwei Zellen, deren Zellwände entfernt wurden (z.B. eine Zelle des männlich sterilen Rettichs mit einer Zelle von Kohlrabi), unter in einem elektrischen Feld oder unter dem Einsatz chemischer Reagenzien miteinander verschmolzen. Durch diese sogenannte Zellfusion können Hybriden aus Pflanzenarten erzeugt werden, zwischen denen natürlicherweise eine biologische Barriere die Kreuzung unmöglich macht. Diese Technik kommt der Gentechnik bereits sehr nahe und widerspricht den Grundsätzen der ökologischen Pflanzenzüchtung, nach denen die Zelle unteilbare Einheit ist, deren Integrität im Züchtungsprozess gewahrt bleiben muss.
Bei den deutschen Ökolandbauverbänden sind aus Zellfusion hervorgegangene CMS-Hybriden daher per Richtlinie im Anbau verboten.
Weitere Informationen: https://www.fibl.org/fileadmin/documents/shop/1200-pflanzenzuechtung.pdf
- Welches Problem besteht bei der Patentierung von Sorten?
Das Motto Sorten sind Kulturgut begleitet uns bei der Bingenheimer Saatgut AG und den Partnerinnen und Partnern in unserem Netzwerk für ökologische Saaten und Sorten seit vielen Jahren. Darunter verstehen wir, dass wir unsere Arbeit im kulturellen Kontext und im Strom der über Jahrtausende fortwährenden Kulturpflanzenentwicklung eingebettet sehen.
Sorten sollten unseres Erachtens ein Gemeingut bleiben und daher nicht für einseitige Profitinteressen privatisiert werden (können), sondern allen Nutzer:innen zugänglich sein und bleiben.
Der Artikel 53 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) verbietet Patente auf Pflanzensorten und Tierarten sowie auf Verfahren der konventionellen Züchtung. Das Europäische Patentamt (EPA) hat jedoch trotz dieser Verbote bereits mehrfach Patente auf konventionelle Züchtungen bei Pflanzen und Tieren erteilt. Als die 38 Vertragsstaaten des Europäischen Patentamts im Sommer 2017 beschlossen hatten, die Patentverbote im Bereich der Pflanzen- und Tierzucht zu verschärfen, keimte zunächst Hoffnung bei den Patentgegnern. Allerdings wurden gleichzeitig, im Kleingedruckten, neue Schlupflöcher geschaffen, um die Verbote zu umgehen. So sollen auch zufällige Veränderungen des Erbguts patentierbar sein. Das EPA kann weiter Patente auf herkömmliche Pflanzen und Tiere erteilen. Die exemplarische Liste der Patentanträge im Bereich des Pflanzenbaus erscheint skurril.
• Mehrblattsalatpflanze (EP 0 942 643 B2)
• Patent auf Verwendung von Paprika als Lebensmittel (EP 2 166 833 B1)
• Tomaten mit erhöhtem Flavonolgehalt (EP1515600)
• Mehrfachverzweigende Wassermelonenpflanze (EP 1 816 908 B1)
• Patent auf geköpften Brokkoli EP 1597965 B1
usw. ...
Quelle http://no-patents-on-seeds.org/de/information/patente
Doch die Patentpolitik des Europäischen Patentamtes ist bittere Realität. Sie gefährdet die Arbeit der ökologischen Züchtung sowie die Ernährungssouveränität der Verbraucher und Verbraucherinnen!
- Was bedeuten die Begriffe samenfest und nachbauwürdig?
Ein großer Vorteil samenfester Öko-Sorten ist, dass aus dem Saatgut immer wieder Pflanzen des gleichen Sortenbildes wachsen, d. h. typische Eigenschaften und Merkmale in den nächsten Generationen erhalten bleiben. Somit sind diese Sorten nachbauwürdig, da man in der Lage ist, diese Sorten sowohl verlässlich nachzubauen als auch standortangepasst weiter zu züchten.
- Was bedeutet Ernährungssouveränität?
Der Begriff der Ernährungssouveränität wurde in der Deklaration des weltweiten Forums für Ernährungssouveränität 2007 folgendermaßen definiert:
„Ernährungssouveränität ist das Recht der Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt […] Sie ist das Recht der Bevölkerung, ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst zu bestimmen. Ernährungssouveränität stellt die Menschen, die Lebensmittel erzeugen, verteilen und konsumieren, ins Zentrum der Nahrungsmittelsysteme, nicht die Interessen der Märkte und der transnationalen Konzerne.“
Die beschriebene Abhängigkeit der Landwirt:innen, die immer wieder neues Saatgut von durch Sortenschutz, Hybridisierung und Patente „geschützten“ Sorten von den wenigen, marktbeherrschenden Konzernen kaufen müssen, steht diesem Gedanken also konträr gegenüber.
Samenfeste, also nachbauwürdige Sorten stehen im Mittelpunkt der Ernährungssouveränität, da sie weltweit die Möglichkeit bieten, dass eine Vielfalt an standortangepassten lokalen Sorten entstehen kann. Diese leisten durch ihre Vielfalt einen wichtigen Beitrag für die Ernährungssicherheit in der Gegenwart und Zukunft in einer sich ständig wandelnden Umwelt.
Je größer der öffentlich zugängliche Genpool ist, desto mehr Möglichkeiten bieten sich bei der Bewältigung von Herausforderungen in Zeiten des Klimawandels und den zukünftigen Bedürfnissen der Menschen.
- Was bedeutet eigentlich ökologische Pflanzenzüchtung?
Wie auch der Ökolandbau selbst sind die Zuchtziele der ökologischen Pflanzenzüchtung auf die nachhaltige Nutzung der gegebenen natürlichen Ressourcen ausgerichtet. Widerstandfähigkeit gegenüber Krankheiten, eine gute Bodendurchwurzelung, die Fähigkeit der Beikrautverdrängung, guter Geschmack sowie ernährungsphysiologisch hohe Qualitäten sind neben weiteren anbaurelevanten Eigenschaften wichtige Kriterien, die in der ökologischen Züchtung priorisiert werden.
Wichtig ist es außerdem, ein möglichst vielfältiges Angebot an samenfesten Sorten zu schaffen, die sich durch eigene gärtnerische Tätigkeit an regionale Bedingungen anpassen lassen, um gute und stabile Erträge zu erzielen.
Samenfeste Sorten aus ökologischer Züchtung haben somit nicht nur für Landwirt:innen und Gärtner:innen, sondern auch für uns als Gesellschaft eine sehr große Bedeutung: Sorten sind Kulturgut. Das heißt, sie sollten weder durch Hybridisierung noch durch Patente oder Sortenschutz zum Privateigentum werden, sondern Allgemeingut bleiben und allen die Möglichkeit geben sie weiterzuentwickeln. Samenfeste Sorten entstehen auf dem Acker und nicht im Labor. Sie entsprechen dem Bild, das wir von konsequent ökologischer Landwirtschaft haben.
Mehr Hintergründe dazu gibt es hier: https://blog.bingenheimersaatgut.de/oekologische-zuechtung-was-es-bedeutet
- Wer ist Kultursaat e.V.?
Der gemeinnützige Verein Kultursaat hat sich der Erhaltung und Weiterentwicklung nachbaufähiger Gemüsesorten für den Ökolandbau verschrieben. Die Züchter:innen von Kultursaat arbeiten nach biologisch-dynamischen Richtlinien und legen großen Wert auf Geschmack und Ernährungsqualität. Die Sorten aus der Züchtung von Kultursaat sind durch das farbige Kultursaat-Logo auf unseren Saatguttütchen gekennzeichnet. Mit jeder verkauften Saatguttüte unterstützen Sie automatisch die wertvolle Züchtungsarbeit von Kultursaat.
Weitere Informationen zum Verein unter: https://www.kultursaat.org/